Rechte und linke Großhirnhemisphäre
Aktuelle Forschungen zu den Hirnfunktionen weisen daraufhin, dass die beiden durch den Corpus callosum (Balken) verbundenen Großhirnhemisphären sich in ihrer Aktivität unterscheiden. Einige dieser Studien legen nahe, dass die beiden Hemisphären bis zu einem gewissen Grad wie zwei voneinander getrennte Gehirne funktionieren und auf unterschiedliche Weise am Verhalten beteiligt sind. Die linke Hemisphäre ist der Sitz der Sprache und all jener Vorgänge, die eine lineare zeitliche Anordnung erfordern; auch analytisches Denken und rationale sowie kognitive Funktionen hängen von dieser Hirnhälfte ab. In der Tat assoziiert man mit der linken Hirnhälfte folgerichtiges Denken, logische Operationen, die Fähigkeit, eine Bedeutung und einen Inhalt zu erfassen, analytische und mathematische Fähigkeiten, symbolische Aktivitäten und Metonymie sowie einen erheblichen Teil der Bewusstseinsfunktionen. Die linke Hemisphäre neigt dazu, Unterscheidungen zu treffen; sie signalisiert eher Unterschiede, als dass sie Ähnlichkeiten wahrnimmt.
Die rechte Großhirnhemisphäre ist auf Prozesse und Ordnungen spezialisiert, die nicht linear, sondern räumlich sind: dazu zählen zum Beispiel Geometrie, Morphologie, Ähnlichkeit, Analogie, Bildverstehen (ikonische Symbole), Gleichzeitigkeit, Bedeutungsvolles, Poesie, Form, Synthese, nonverbale und taktile Funktionen, musikalisches Bewusstsein, künstlerische Wahrnehmung und das Unbewusste. Die rechte Hemisphäre wäre damit der Ort, wo sich Unterschiede auflösen. Sie ist der Sitz der einenden, integrierenden Funktionen sowie der gestalthaften und holistischen Wahrnehmung. Die rechte Hirnhälfte dominiert z. B., wenn ein Mensch Musik hört, formbares Material modelliert oder tanzt.
Wirkung von Biodanza auf die rechte Großhirnhemisphäre
Wenn man von einer solchen Verteilung der Aufgaben auf die bei den Hirnhemisphären ausgeht, lässt sich sagen, dass die westliche Kultur besonders die Entwicklung der Funktionen der linken Hemisphäre gefördert hat. Noch vor kurzer Zeit ging man davon aus, dass die linke Hemisphäre von Natur aus dominant sei. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um ein kulturelles Phänomen.
Biodanza stimuliert vor allem die rechte Großhirnhemisphäre, indem es sich einer nonverbalen Vorgehensweise bedient, die integrierend wirkt und die taktile Sensibilität sowie die musikalische Wahrnehmung stimuliert. Das führt dazu, dass das Ungleichgewicht, das von einer Kultur verursacht wurde, die kognitive, rationale und analytische Funktionen zum Nachteil unbewusster, verbindender und integrierender Funktionen bevorzugt, ausgeglichen wird.
Aus: Rolando Toro, „Das System Biodanza“ mit freundlicher Genehmigung des Tinto-Verlags
Hemisphären des Gehirns
„Verstand“
„Bewusstsein“
„Körperwahrnehmung“
Tabelleninhalte zusammengetragen aus dem Buch: Dr. Jill B. Taylor „Mit einem Schlag“
Wie eine Hirnforscherin durch ihren Schlaganfall neue Dimensionen des Bewusstseins entdeckt (München 2010)